Der Wirecard-Skandal mit allen Infos und Hintergründen

Die ehemalige Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München




Die ehemalige Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München

©MacroEcon/shutterstock.com

Wirecard: Aufstieg unter der Leitung von Markus Braun

Der Aufstieg und Fall von Wirecard gleicht einem Wirtschaftskrimi, wie ihn die Welt nur selten zuvor erlebt hat. Die Geschichte von Wirecard beginnt Anfang der 2000er Jahre. Markus Braun, damals Mitarbeiter einer Unternehmensberatung, wechselte zu Wirecard und ebnete den Weg des Unternehmens für einen rasanten Aufstieg.

Als Zahlungsdienstleister kassierte Wirecard schon zu dieser Zeit für jede Transaktion eines Kunden eine Provision. Wirecard wurde jedoch in erster Linie als Zahlungsdienstleister bei On-line Glücksspiel Anbietern sowie auf Erotikportalen bekannt. Im Zuge der Glücksspiel-Legalisierung im Jahr 2021 in Deutschland wollte Wirecard zudem einen lukrativen Großauftrag im Glücksspiel-Sektor an Land ziehen.

Durch den großen Erfolg und das Wachstum des Unternehmens stärkte Markus Braun seine Place und stieg zum größten Anteilseigner sowie Vorstandsvorsitzenden von Wirecard auf. Er battle maßgeblich für den Aufstieg des Unternehmens verantwortlich und machte Wirecard im Laufe der Jahre zu einem der erfolgreichsten Unternehmen am deutschen Börsenmarkt.

Viele Anleger waren von Brauns Visionen begeistert und investierten in Wirecard Aktien. Im Jahr 2018 gehörte Wirecard zu den 30 wichtigsten Unternehmen in Deutschland. Dies battle der Höhepunkt in der Firmengeschichte des einstigen Zahlungsdienstleisters.

In einer ZDF-Dokumentation wird der Wirecard-Skandal ausführlich durchleuchtet:

Fingierte Zahlen und Einbruch des Aktienkurses

Im Jahr 2019 führte Dan McCrum, Journalist der Monetary Instances [Link auf Englisch], intensive Recherchen zu Wirecard durch und deckte Unstimmigkeiten im Unternehmen auf. Er zeigte auf, dass Wirecard Mitarbeiter in Asien die Unternehmenszahlen fingiert hatten. Dies battle der Anfang des Zusammenbruchs von Wirecard.

Zunächst wehrten sich die Wirecard-Verantwortlichen vehement gegen die Vorwürfe des Journalisten. Dabei bekam Wirecard zunächst Unterstützung der deutschen BaFin. Intensivere Kontrollen der Prüfungsgesellschaft KPMG hinterließen allerdings Zweifel. Nach wie vor kursierten Gerüchte, dass die constructive Bilanz von insgesamt 1,9 Milliarden Euro auf den asiatischen Firmenkonten gefälscht worden sei.

Kurz darauf versagten die Bilanzprüfer des Unternehmens Ernst & Younger das Testat und die Aktienkurse von Wirecard befanden sich im freien Fall. Anfang 2019 verlor die Wirecard Aktie über 50 % ihres Wertes. Kurz darauf musste das Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.

Das Wirecard Logo vor einem Börsen-Chart

Der Kurs der Wirecard-Aktie stieg 2018 stark an und viele Anleger investierten große Summen in das Unternehmen. ©nitpicker/shutterstock.com

Die spektakuläre Flucht von Ex-Vorstand Jan Marsalek

Noch bevor die Wirecard-Insolvenz an die Öffentlichkeit gelangte, setzte sich das ehemalige Vorstandsmitglied, Jan Marsalek, aus Deutschland ab. Marsalek arbeitete seit 2000 bei Wirecard und battle schnell im Unternehmen aufgestiegen.

Bis heute gilt er als einer der Hauptverantwortlichen im Wirecard-Skandal. Ihm werden gewerbsmäßiger Bandenbetrug, ein besonders schwerer Fall der Untreue, Bilanzfälschung, Börsenmanipulation und weitere Vermögens- und Wirtschaftsdelikte zur Final gelegt.

Am 18. Juni 2020 ist Marsalek von seinem Posten bei Wirecard entbunden worden. Gegenüber ehemaligen Arbeitskollegen gab er an, auf die Philippinen reisen zu wollen, um die fehlenden 1,9 Milliarden Euro zu finden und seine Unschuld zu beweisen. Aufgrund der Einreisedokumente schien es zunächst, dass Marsalek am Flughafen in Manila gelandet sei. Später stellte sich jedoch heraus, dass Flughafenmitarbeiter die Dokumente gefälscht hatten und Marsalek nie das besagte Flugzeug bestiegen hatte.

Spätere Ermittlungen sollen ergeben haben, dass er in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni mit einem gefälschten Reisepass in die weißrussische Hauptstadt Minsk gereist sei. In den weißrussischen Datenbanken sei jedoch nur der Vermerk Einmalflug notiert worden. Ein Dokument zur Ausreise existiere hingegen nicht. Dies soll darauf hindeuten, dass sich Marsalek in Weißrussland oder Russland befinde.

Es werde vermutet, dass sich Marsalek in der Nähe von Moskau in einem Wohnhaus in einem gesicherten Areal aufhalte und unter Aufsicht und Schutz des russischen Militärgeheimdienstes GRU stehe. Dies sei bisher jedoch nicht bestätigt. Auch ein genauer Standort sei bis heute nicht bekannt.

Jan Marsalek wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Weiterhin wurde bekannt, dass Jan Marsalek bereits seit über 10 Jahren als russischer Geheimagent gearbeitet haben soll.

Insolvenz, Gerichtsprozess und Festnahmen des Vorstands

Im Juni 2020 meldete Wirecard beim zuständigen Amtsgericht in München Insolvenz an. Aufgrund der Betrugsvorwürfe nahm auch die Staatsanwaltschaft München Ermittlungen auf. Markus Braun und zwei weitere Vorstände von Wirecard wurden in Untersuchungshaft genommen. Gläubiger des Unternehmens forderten 3,3 Milliarden Euro. Die Aktionäre der Wirecard AG verloren durch die Insolvenz insgesamt 24 Milliarden Euro.

Der Ex-Wirecard-Supervisor Oliver Bellenhaus trat beim Prozessauftakt gegen Wirecard (13. Februar 2023) als Kronzeuge gegen seinen früheren Arbeitgeber auf. Er sei laut eigener Aussage dazu angehalten worden, Umsätze und Gewinne von Wirecard zu manipulieren, um die Unternehmensbilanz zu beschönigen.

Der untergetauchte Jan Marsalek meldete sich allerdings im Jahr 2023 über seinen Anwalt bei Gericht und behauptete, dass Markus Braun bei seinen Aussagen vor dem Richter und der Staatsanwaltschaft nicht die Wahrheit gesagt habe, und belastete seinen ehemaligen Vorstandskollegen somit schwer.

Ein Ende des Prozesses im wohl größten Bilanzbetrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht abzusehen. Es wurden bis zum 19. Dezember 2024 insgesamt 86 weitere Prozesstage anberaumt.

Der Wirecard-Skandal ist ohne Zweifel einer der größten und spektakulärsten deutschen Wirtschaftskrimis, der zahlreiche Anleger um viel Geld gebracht hat.

Author: Roger Barnes